23.11.2016 | VON STEFAN SCHWARZ

Das musikalische Palmares von Josias Just ist lang und die vielen Erfolge auf verschiedenen beruflichen Bühnen zeugen von viel Können und Fachkompetenz. Dass der zurückhaltende Musiker diesen Leistungsausweis ohne gros­sen Rummel um die eigene Person erfolgreich erbringen konnte, verdankt er einerseits seinem angeborenen Talent und andererseits seiner hohen Arbeitsbereitschaft mit grossem Durchhaltewillen.

Aller Anfang ist schwer
Im lockeren Gespräch mit Land&Musig schaut der 63-jährige Josias Just dankbar auf seine Kindheit in Andeer zurück. Obschon zu jener Zeit im heutigen Bezirk Viamala noch keine ausgebildeten Musiklehrer zur Verfügung standen, durften allen vier Just-Buaba ein Instrument nach ihren persönlichen Wünschen erlernen. Josias als Jüngster des Quartetts entschied sich für die Klarinette. Im Musikhaus Fischer in Chur wurde eine C-Klarinette mit deutschem Griffsystem beschafft und von einem Blechbläser liess sich der Knabe die ersten Notenkenntnisse beibringen. Als Hilfsmittel im Umgang mit dem komplett anders funktionierenden Holzblasinstrument diente das Übungs-Büchlein «Der junge Klarinettist». Auch wenn Ansatz und Technik noch überhaupt nicht richtig waren, stand der Jüngling bereits als 12-Jähriger stolz in den Reihen der örtlichen Musikgesellschaft. Weitere Musikstunden erhielt Josias Just von einem Klarinettisten aus Splügen, der als Angehöriger der Schweizer Militärmusik entsprechend mehr instrumentale Erfahrung bieten konnte. «Manchmal war es schon hart, den ganzen Mittwochnachmittag opfern zu müssen, während die Kollegen Fussball spielten», berichtet Josias rückblickend. «Weil das Postauto damals nicht so oft fuhr, ging es einfach nicht anders!» Zum Glück erwachte beim jungen Klarinettler in dieser Zeit eine immer grösser werdende Musizierfreude, welche die Absenz auf dem Fussballplatz wieder wettmachte.

Grosse Freude bereitete Josias auch das unbeschwerte Musizieren im Familienkreis, woraus mit den drei älteren Brüdern Peter, Christian und Martin die Kapelle «Just-Buaba» entstand. In der für das Bündnerland untypischen Besetzung mit Klarinette, Handorgel, Klavier und Bass wurden alsbald Tänzli von Hans Niederdorfer, einfachere Stücke von einschlägigen Innerschweizer Komponisten sowie gängige Schlagermelodien interpretiert. Bei den regelmässigen Musikantentreffen im Gasthaus Schwert durfte Josias zu seinem Leidwesen aufgrund des Alters noch nicht dabei sein. Um so glücklicher packte er nach seinem 16. Geburtstag jeweils sein Klari­nettenköfferli und mischte sich stolz unter die gleichgesinnten Ländlermusikanten. Bei einem solchen Musikantentreffen spielte Josias erstmals mit dem Schwyzerörgeler und Akkordeonisten  Arno Jehli, der ihn rund vier Jahre später zur Kapelle Oberalp holte.

Wegweisende Momente
Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte Josias Just bei der Ems-Chemie eine Lehre als Maschinenschlosser und wohnte in dieser Zeit während der Woche im Lehrlingsheim und später bei verschiedenen Schlummermüttern. Im beruflichen Umfeld hatte der Lehrling wiederum Kontakt mit Arno Jehli, der ihn eines Tages zu einem Musikengagement nach Mallorca motivierte. So war Josias Just kurz später in Vertretung des Bläsers Silvio Caluori erstmals mit der Kapelle Oberalp unterwegs. Als sich Caluori später mehr und mehr von der Musikantenbühne verabschiedete, gesellte sich der junge Klarinettist offiziell zur aufstrebenden Bündnerformation.

Während der Lehrzeit fand Josias Just an der Musikschule Chur in der Person von René Oswald endlich einen ausgebildeten Klarinettenlehrer, der ihn zum Wechsel auf das gängige Böhmsystem motivierte und mit einem korrekten Ansatz vertraut machte. Nach ersten Umstellungsproblemen ging das Musizieren immer lockerer von der Hand und der Hobby-Kicker beim FC Chur musste sich einmal mehr zwischen Sport und Musik entscheiden. Wiederum obsiegte  die musikalische Leidenschaft und der Wunsch nach einer professionellen Musikerlaufbahn wurde immer konkreter. Deshalb belegte Josias Just direkt nach dem Lehrabschluss – parallel zu ersten Berufserfahrungen als Maschinenschlosser – am Konservatorium Luzern einen Vorkurs, der ihn auf das folgende Musikstudium vorbereitete. Auf dem Instrument war der Bündner zwar bereits fit genug, doch in Sachen Theorie gab es noch einigen Nachholbedarf. Josias aber packte seine Chance. Er büffelte und übte mit grossem Elan und holte sich nach dem Lehrdiplom auch gleich noch das Solistendiplom. Der Vollblutmusiker mit handwerklichem Hintergrund ist fest davon überzeugt, dass ihm in Sachen Geduld, Biss und Durchhaltewillen seine vorherige Berufsausbildung zugute kam, denn auch in der Lehrlingswerkstatt mit rund 50 Auszubildenden war Disziplin eine Grundvoraussetzung.

Neuer Oberalp-Status und andere musikalische Bühnen
Bereits während des Studiums konnte Jo­sias Just dann mit der Ausübung seines Traumberufes beginnen und vorerst am Samstag an den Musikschulen von Illanz, Thusis und Chur erste Klari­nettenschüler betreuen. Sein allererster Schüler war übrigens Martin Tanner, der seit vielen Jahren als musikalischer Leiter der Schwyzerörgeli-­Grossformation Felsberg wirkt und längst ebenfalls in der Kapelle Oberalp mitspielt. Dank Tanner sowie dem anderen langjährigen Oberalp-Bläser und ehemaligen Just-Schüler, Walter Rogentin, bekam Josias Just als Berufsmusiker bei der Kapelle Oberalp eine Art Sonderstatus und ist als dritter Bläser seither noch dann mit von der Partie, wenn es der berufliche Terminplan auch zulässt. Für den Bündner Berufsmusiker öffneten sich in der Folge nämlich zahlreiche neue Türen, die ihn seinen Traum facettenreich leben liessen. Er bekam eine interessante Anstellung als Musikpädagoge in Zürich, woraus im Laufe der Jahre der heutige Dozent für Fachdidaktik Klarinette der Zürcher Hochschule der Künste wurde.

Parallel zur Musiklehrertätigkeit konnte sich Josias Just immer wieder auch als Musiker und Solist profilieren. So kam es vor 32 Jahren mit zwei Gleichgesinnten zur Gründung des Calamus Trio, das zuerst mit drei Klarinetten und heute mit zwei Klarinetten und Klavier für kammermusikalische Unterhaltung sorgt. Eine ganz besondere Ehre war im Jahre 1987 die unerwartete Berufung zum Soloklarinettisten des Zürcher Kammerorchesters, was alsbald weitere Engagements in angesagten Orchestern in der Schweiz und im Ausland zur Folge hatte.

Eine Auflistung sämtlicher beruflicher Aktivitäten und Erfolge ist schlichtweg unmöglich. Zu erwähnen ist an dieser Stelle aber mit Sicherheit der Anerkennungspreis des Kantons Graubünden, der Josias Just im Jahr 2010 in Würdigung seines vielfältigen musikalischen Wirkens verliehen wurde. Und da sind auch noch zwei Goldene Schallplatten für erfolgreich verkaufte musikalische Experimente der Kapelle Oberalp oder der Volksmusikpreis des Kantons Graubünden, der im Jahr 2008 explizit auch sein regionales volksmusikalisches Engagement würdigte.

Schritt in den Ruhestand
Rückblickend staunt Josias Just selber, was er dank loderndem musikalischen Feuer in drei Jahrzehnten als Berufsmusiker alles leisten durfte. Mit dem anstehenden Schritt in den Ruhestand wird es in zwei Jahren musikalisch sicher ruhiger und Josias Just kann ohne ständige Angst um die Finger im Ferien­haus in Feldis noch vermehrt sein handwerkliches Geschick unter Beweis zu stellen. Aber auch regelmässige Reisen zusammen mit Ehefrau Maia stehen bereits auf der AHV-Wunschliste. Musikalisch will Josias Just aber weiterhin am Ball bleiben und unter anderem als Ländlermusikant, Kursleiter oder Komponist all das nachholen, was in den letzten Jahren noch nicht in die Tat umgesetzt werden konnte.